Kunst im Parkhaus in Stuttgart

Frei parken für die Kunst

Frei parken für die Kunst
Schön: Mit einem Bierchen in der Hand in ungezwungener Atmosphäre über Kunst debattieren.

Dass sich derzeit eine Menge in Stuttgarts Kulturlandschaft tut, ist kein allzu großes Geheimnis. Die temporäre Nutzung des Wilhelmspalais, wo erst kürzlich das Varieté Liberté stieg, oder der „Self Service“ Open-Art-Space in der Eichstraße sind nur zwei von vielen Beispielen, wie ungenutzte Räume, Büros und Ladenflächen einer neuen, einmaligen Bestimmung zugeführt werden können.

Temporären Projektraum


Ende Juni erhielt Stuttgarts Kunstwelt eine weitere Interimfläche – die ehemalige Kiosk-Räumlichkeit im Züblin- Parkhaus gleich beim Bohnenviertel. Und so klein dieser Raum mit seinen 20 Quadratmetern auch ist: Hier wird seit gut drei Monaten einiges bewegt. Diverse Ausstellung gab es in diesem „temporären Projektraum“ in der Lazarettstraße 5 schon, diverse künstlerische Arbeiten zeigten Positionen zu den Themen Stadt, Urbanität, Raum und urbanes Lebensgefühl.

Eine tolle Entwicklung

Klassisches Hipster-Material, das seither durch die Hinzunahme einer DJ-Kanzel für das Wochenende und einer kleinen Bar zusätzlichen Reiz auf junge Städter ausübt. Aber eben nicht nur auf die. Viel ist passiert in den letzten Monaten, wie sich Mitbegründerin Franziska Bettac gerne erinnert: „Toll sind die vielen neuen Kontakte und das gemeinsame Entwickeln der Ausstellungen“, schwärmt sie.

Positives Feedback

„Höhepunkte sind auch die Resonanz unserer Gäste, der Parkhausbetreiber und der Anwohner.“ Ihr persönlicher Höhepunkt ist ebenfalls klar zu definieren: „Das war an der Vernissage einer der ersten Ausstellungen. Zwischen den selbst gepflanzten Wiesenblumen auf dem Podest zu sitzen und den Gesprächen unserer Gäste zu lauschen und zu kapieren: Ja, es funktioniert!“ Das ermutigende Fazit der Ebene 0-Macher nach drei Monaten Off-Space-Arbeit: „Ein unwirtlicher Raum in der Stadt lässt sich zu einer Oase der Kunst und Kultur und der ungezwungenen Kommunikation umbauen.“

Ein Ort der Dialoge

Freie Künstler, Architekten, Stadtplaner, Designer oder Stadtbewohner gehen seither ein und aus im Parkhaus, lassen diesmal aber nicht nur ihr Auto stehen, sondern auch ihre Kunstwerke sowie ihre Meinung über dieselben. „Die ausgestellten Arbeiten und Sichtweisen können und sollen hier diskutiert werden“, betont Bettac. Denn die Ebene 0 ist auch ein Ort des Dialogs, des Austausches und des Gesprächs. Und zu bereden gibt es seit Ende Juni eine ganze Menge: Fotografie, Malerei, skulpturale Arbeiten, Grafik oder Video- und Musikinstallationen, dazu Gespräche, Lesungen, gemeinsame Experimente oder ganz neu zu entwickelnde Formate: Für das siebenköpfige Team ist es „immer der unerwartete Blick, der überraschende Moment in einer Sichtweise auf das uns alle umgebende Objekt Raum, der den inhaltlichen Schwerpunkt der Ebene 0 bildet.“

Noch mehr Raum für Kunst

Das Besondere an dieser Herangehensweise an die Kunst: Sie will nichts erzwingen, zeigt lediglich Möglichkeiten auf. „Ich denke, es gibt mehrere solcher spannenden Räume in Stuttgart, es sollte aber noch viel mehr Freiräume für Kunst, Kultur oder ganz neue Inhalte geben“, so Franziska Bettac. Deshalb ist die Arbeit ihrer Projektgruppe Ende Oktober nicht beendet – auch, wenn sie das Parkhaus dann wieder räumen müssen. „Die Ebene 0 besteht zunächst bis Ende Oktober 2012, jedoch überlegen wir gerade, den Projektraum nächsten Sommer in vielleicht veränderter Form weiterzuführen.“

Kunst aus Haaren von Künstlern

Bis es so weit ist, will man es im Oktober noch mal wissen: Bis zum 6. Oktober 2012 ist Dinah Günther mit der Ausstellung „Networking unvollständig“ zu sehen. Aus den Haaren befreundeter Künstler webt sie ein Objekt, das ihr künstlerisches Netzwerk symbolisieren soll. Am 12. und 13. Oktober 2012 folgen Marie-Noelle Battaglia und Benjamin Frick mit der Belgrad-bezogenen Ausstellung „Belgrade – Banalités urbaines et autres curiosités“, bevor Harald Völkl abschließend vom 18. bis 20. Oktober 2012 der Einsamkeit Stuttgarts mit seinen fotografischen Arbeiten auf der Spur ist.

Mund-zu-Mund Propaganda

Jedes Wochenende eine neue Ausstellung, dieses Pensum ist wirklich beeindruckend. Dabei verlässt sich die Ebene 0 nach wie vor eher auf Mund-zu-Mund-Propaganda, was erstaunlich gut funktioniert und die temporäre Location schnell etabliert hat. Das könnte auch am „Charme des Unfertigen“ liegen, wie Bettac den Ort umschreibt. „Der Raum, das Sitzpodest, wir als Thekenpersonal – das ist natürlich nicht ganz so professionell wie eine echte Bar oder Galerie“, stellt sie fest. „Dafür bietet die Ebene 0 eben Spielraum für Neues, Ungewohntes.“ Und davon sollte man sich bis Ende Oktober selbst überzeugen – donnerstags bis samstags ab 18 Uhr oder spätestens bei der großen Abschiedsparty am letzten Oktoberwochenende. Man weiß schließlich nicht, wann und wo es tatsächlich eine Fortsetzung geben wird. (BS)

Weitere Informationen: www.ebene0.de

06.10.2012
(Ausgabe 06. Oktober 2012)