Schnellster Super- computer Europas in Stuttgart

Mein Name ist Hermit

Hermit ist der schnellste zivile Supercomputer Europas.

Hermit. Ein Name, der vielleicht einen Zwerg mit großen Füßen und Ziegenbart beschreiben könnte oder den schrulligen, verwirrten Nachbarn von nebenan. Wie eine Ansammlung überdimensionaler Kühlschränke steht er da: Hermit, der schnellste zivile Computer Europas. Ein digitales Superhirn, zusammengeschaltet aus tausend einzelnen Computern.

20.000 mal mehr Leistung

Seit Februar ist der Riesenrechner im Höchstleistungszentrum der Universität Stuttgart (HLRS) offiziell in Betrieb und zählt laut Bundesforschungsministerium mit einer Leistung von mehr als einem Petaflop zu den leistungsfähigsten Computer der Welt. Petaflop bedeutet, dass Hermit über eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde schafft. Kurzum: 20.000 mal mehr als ein gewöhnlicher PC, den Otto-Normalverbraucher auf dem Schreibtisch stehen hat.

Neue Lösungsansätze

Ziemlich beeindruckend, dieser Hermit. Zumal er nicht nur schnell, sondern auch schlau ist. So schlau, dass er unter anderem umfangreiche Fragestellungen aus den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Mobilität beantworten kann. „Wir können an eine ganze Reihe von Problemen herangehen, die wir bisher nicht lösen konnten“, so Professor Michael Resch, Direktor des HLRS.

Hermit als Unterstützung in vielen Bereichen

Hochkomplexe Simulationen sind für Hermit ein Kinderspiel und können beispielsweise im Bereich der Medizin zu Forschungszwecken genutzt werden. In Stuttgart wollen Wissenschaftler mit dem Großrechner optimale Therapien für Knochenbrüche simulieren oder an der Bekämpfung von Herzkrankheiten arbeiten. Zudem ist Hermit das einzige Rechnersystem, welches auch für die Nutzung in industriellen Produktionsprozessen ausgelegt ist. So kann etwa ein Energieunternehmen die Betriebsabläufe eines geplanten Wasserkraftwerks mit Hilfe des Computers vollständig simulieren.

Chance auf entscheidende Impulse

„Hermit ist vielseitig einsetzbar. Von der Berechnung und Simulation von Autocrashs, bis hin zur Optimierung von Flugzeugtragflächen und vielem mehr.“ Weil Hermit so schnell rechnen kann, sparen sich Wissenschaft und Wirtschaft langwierige Entwicklungszeiten und haben die große Chance, entscheidende Impulse zu geben.

Platz 12 der Weltrangliste

Er ist also ein Supergenie und trägt dazu bei, dass sich die Universität Stuttgart als führendes Wissenschaftszentrum für Simulationstechnologien in Deutschland etabliert. Als schnellster zivil genutzter Rechner Europas liegt Hermit in der Top-500-Weltrangliste der Supercomputer auf Platz zwölf. Bei den industriell genutzten Supercomputern steht er sogar an erster Stelle.

Ein System dieser Größe braucht seine Zeit

Knapp vier Jahre Planungszeit investierten die Wissenschaftler und Tüftler des HLRS. Allein die Installation und der Aufbau des Superrechners hat ein Jahr gedauert. „Das erklärt sich daraus, dass ein System dieser Größe nicht einfach in einen Raum gestellt werden kann. Wir mussten die Stromversorgung und die Kühlung individuell auf die Technologie abstimmen“ erklärt Professor Resch.

Ökologie als wichtiger Faktor

Hermit basiert auf der sogenannten Cray XE6 Supercomputer-Technologie und beinhaltet ein spezielles, internes Kommunikationsnetzwerk. „Es ist etwa zehnmal so schnell wie die besten Standardnetze, die in durchschnittlichen Systemen verwendet werden.“ Bei der Entwicklung von Hermit wurde besonders großen Wert auf Ökologie gelegt. „Es war uns sehr wichtig, durch einen niedrigen Energieverbrauch und ein effizientes Kühlkonzept den CO2-Ausstoß des Systems so minimal wie möglich halten zu können“, so Resch.

Weiterer Ausbau geplant

Die Leistung des Supercomputers soll im nächsten Ausbauschritt bereits im kommenden Jahr um weitere vier bis fünf Petaflops anwachsen. Finanziert wird Hermit im Rahmen des sogenannten „PetaGCS“-Projekts mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums und des Wissenschaftsministerium Baden- Württemberg.
Größte Plattform in Europa

Im Zuge des Projekts sollen die drei Standorte des „Gauss Centre für Supercomputing“ (GCS) – das HLRS in Stuttgart, das Leibniz- Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Garching und das Forschungszentrum Jülich in Nordrhein-Westfalen – in einem Zeitraum von sechs Jahren mit Petascale- Systemen ausgestattet werden. Das heißt, sie sollen mehr als eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde durchführen können. Gemeinsam stellen diese Zentren die mit Abstand größte und leistungsfähigste Plattform für computergestützte Wissenschaften und Industrieforschung in Europa.

Ein furchteinflößender Name

Und wie kam nun der Name Hermit zustande? Was viele vielleicht nicht wussten: Rechensysteme werden meistens alle nach furchteinflößenden Tieren benannt, wie zum Beispiel „Jaguar“ oder „Krake“. Professor Michael Resch schmunzelt: „Wir haben so ein furchteinflößendes Tier auch in Baden-Württemberg gefunden – es ist der Juchtenkäfer, der auf Englisch „Hermit Beetle“ heisst. Das fanden wir passend.“ (TS)

Weitere Informationen: www.hlrs.de

31.03.2012
(Ausgabe 31.März 2012)