Januar-Kolumne Klaus Birk

Alles super, alles Stuttgart: Alles bleibt, wie es anders wird

Klaus Birk, Kabarettist

Endlich ein neues Jahr. Wurde aber auch Zeit, oder? Manche Jahre wollen einfach nicht vorübergeh’n. Obwohl, 2009 raste vorbei, nur eben zu langsam. Also endlich weg damit. Weg mit den Sorgen und Ängsten: „Bleibt der Job? Hält die Firma? Wird verkauft? Wer geht alles insolvent? Bekomm’ ich Arbeit? Von was denn soll’n wir leben? Wer soll das bezahlen? Wo kann man noch etwas einsparen? Welches Geld kann ich ausgeben, das mir nicht gehört?“ Gut, Letzteres denkt nur, wer fremde Kohle verheizen darf, die gar nicht da ist.

Aus Winkeln und Löchern, aus Straßen und Gassen, da schallet’s ein Lied: „So kann’s nicht weitergeh’n. So kann’s nicht weitergeh’n. So kann’s, so kann’s nicht weitergeh’n!“

Und erhobene Zeigefinger wandern von Haus zu Haus und fingernageln die Worte in Pforten und Türen: „Maßhalten, haushalten, aushalten, einhalten!“
Ja, was wir gerade müssen, ist schon fast Genusssteuer pflichtig. Und jetzt, wo es endlich nicht mehr so weitergeht, sind wir wieder nicht zufrieden.
Egal. Hauptsache wir merken wo beim Hasen der Pfeffer wächst. Mehr und mehr Leuten wird klar: „Die Anderen sind schuld!“

Und das macht eben die Krise so wunderbar. Die Anderen sind die faulen Eier. Bei denen liegt das Huhn begraben. Und genau das geht so nicht weiter.
Nur, die Anderen gackern: „Du bist Schuld. Du knallst doch hier die Öre raus. Du machst, du bist, du sollst, du musst.“Schon schrei’n die Gespatzten von den Dachlatten: „Es muss sich alles sofort ändern!“ Und die Welt reagiert, handelt und verkündet: „Alles ändert sich in diesem Jahr!“

Wählen wir diese Aussage mal zur großen Erkenntnis der Postmoderne. Und falls jemand fragt: „Was hat das mit Postmodere zu tun?“ Einfache Antwort: Rein gar nichts. Wollte dieses Wort nur mal unterbringen, zum Abschluss des alten Jahres oder Anfang des neuen. „Postmoderne“ gibt einem Satz diesen zarten Hauch von intellektueller Arroganz. Einfach mal fallen lassen, beiläufig, unbetont. Egal was es bedeutet. Man fühlt sich gleich besser. Jetzt ist es raus. Wie einmal niesen und weg den Rotz. Muss auch mal sein zwischendurch.

Also weiter im Text: „Alles ändert sich in diesem Jahr!“ War zwar schon immer so. Nur beginnen jetzt manche und merken’s auch noch. Schon gibt es Angebote: „Vor was hätten’s gerne Angst? Welches Frusterl darf’s denn sein? Sind Sie’s große oder ’s kleine Schwein?“

Andere sind da eher locker: „Darauf habe ich nur gewartet. Jetzt wird alles super anders. Der Job, die Frau, die Kinder, die Kohle, der Sex, das Bier, der Arsch, die Ohren. Also: Mach’ jetzt mal. Mach’ schöner anders!“ Und schon machen die Macher und es ändern die Änderer.

„Und wahrlich ich sage Euch: Es werde anders und ändere sich ständig.“ Nur gefällt uns eben gerade nicht, was sich ändert und wie. „Wissen Sie, ich könnte die Krise viel besser genießen, wenn sie woanders wäre! Hinfliegen, Eintritt zahlen, das Wochenende genießen und am Sonntag abends wär’ man wieder daheim. Wegen mir bräuchte ich nicht weniger Geld. Mir würde auch mehr reichen!“

Vielleicht ist 2010 das Jahr des Meckerns und Merkens. Meckern geht immer. Wer ändern will, darf merken dürfen, wo der Storch im Käse steht. Wer ändern will, der mischt sich ein, grillt den Käse, lobt den Storch.

Vielleicht ist 2010 das Jahr der Achtsamkeit. Das SchnallJahr. Das Jahr des „Wir“.
Klar ist das das Jahr des Wir! Wir werden SchneeOlympiaSieger in Canada. Wir werden Handball-Weltmeister in Österreich. Und wir werden FußballWeltmeister in Südafrika. Yes! Wir werden wir. Und zwar alle miteinander. So gewinnen wir immer. Yes weekend! Und zwar sofort!

2010 das Jahr, in dem wir Verantwortung übernehmen: „Denn wir wissen, was wir tun.“ 2010 ist ein bemerkenswertes Jahr.
Also erheben wir unser Glasnost auf 2010, „Public Viewing“ und "So seh’n Sieger aus! Tralalalala ...!“

02.01.2010
(Ausgabe Januar 2010)