Die aktuelle Ausgabe zum Download:

     

TIERISCH

Gefiederte Weltenbummler

Winterurlaub auf Mallorca? Davon können wir bei eisigen Temperaturen oft nur träumen. Unsere gefiederten Freunde hingegen sind im Winter Stammgäste auf den Balearen, in Marokko oder Südafrika. Wenn hierzulande das Futter knapp wird, verschwinden sie gen Süden. Und vollbringen dabei Rekordleistungen.

11.500 Kilometer nonstop
„Berühmt ist eine Pfuhlschnepfe, die mit einem kleinen Sender ausgestattet war und Nonstop von Alaska bis nach Neuseeland geflogen ist. 11.500 Kilometer, ganz ohne Pausen“, erzählt Diplom-Biologe Michael Schmolz, stellvertretender Vorsitzender des Stuttgarter Naturschutzbundes (Nabu). „Das ist einfach faszinierend.“

leer  
Der Höckerschwan bleibt im Winter in heimischen Gefilden.
leer  
Der Haussperling ist ein Körnerfresser: Er mag Sonnenblumenkerne und Nüsse.
leer  
Im Winter hört man auch in schneebedeckten Wäldern den Buntspecht hämmern.
leer  
Die Blaumeise zählt zu den Daheimbleibern.
leer  
Amseln sind Teilzieher: Einige Tiere bleiben hier, andere ziehen gen Süden.

Fettabbau inklusive
Auch der Knutt, ein Strandläufer, vollbringt beeindruckende Leistungen. Er fliegt ganze 6.000 Kilometer ohne Stopps, etwa von Sibirien ins norddeutsche Wattenmeer oder von Ostasien nach Australien. Pro hundert Kilometer verbraucht er etwa ein Gramm Fett. Nach seiner Reise wiegt er gerade noch halb so viel wie vorher.

Favorisiertes Reiseziel: der Mittelmeeraum
Die gefiederten Weltenbummler haben es Michael Schmolz angetan. „Die meisten unser heimischen Vögel ziehen nur bis nach Spanien, Italien oder Tunesien. Nicht primär wegen der Kälte, sondern weil sie dort genügend Insekten finden“, erklärt Schmolz. Aber längst nicht alle Vögel ziehen im Winter um. Denn mit dem Vogelzug ist es so eine Sache. „Wenn sich eine Amsel im Oktober Richtung Mittelmeer aufmacht, kann es sein, dass ihre Schwester einfach da bleibt“, sagt Michael Schmolz.

Ob Zugvogel oder nicht liegt in den Genen
Wer wann wohin zieht, ist bei Vögeln genetisch festgelegt. Amseln gelten als Teilzieher, genauso wie Rotkehlchen oder Mönchsgrasmücken. „Das ist ein ausgeklügelter Mechanismus der Evolution. So ist sichergestellt, dass ein Teil der Population auf jeden Fall überlebt“, weiß der Biologe. Denn sowohl die lange Reise in den Süden als auch der Winter in unseren Breiten bergen Gefahren.


Vögel reagieren auf veränderte Bedingungen
So können die meisten Arten relativ schnell auf veränderte Umweltbedingungen wie den Klimawandel reagieren. Und das tun sie. Noch vor einigen Jahren galt der Star als Frühlingsbote, nun bleiben immer mehr Tiere hier. Vielleicht heißt es bald in einem bekannten Kinderlied: „Alle Vögel sind noch da, alle Vögel alle.“

Manch Skandninavier weilt im Winter unter uns
Doch wer im Garten eine Amsel erspäht, kann nicht sicher sein, wen er vor sich hat. Es könnte auch eine Norwegerin sein, denn viele Vögel aus Skandinavien überwintern bei uns. Äußerlich sind sie kaum zu unterscheiden – nur ein beringter Fuß kann Auskunft geben.


Nahrungsumstellung hilft durch den Winter
Aber wie kommen die Daheimbleiber durch den Winter, wenn es hier kaum Insekten gibt? Dafür haben Meisen und Co. einen Trick auf Lager: Sie stellen kurzerhand ihren Speiseplan um. Statt Insekten vertilgen sie Samen, Körner und Beeren.

Auch sinnvoll - ein großer Wintervorrat
Und manch einer hat noch mehr in petto: Der Kleiber sammelt bereits im Herbst Bucheckern oder Haselnüsse und versteckt sie als Wintervorrat. Richtig gut hat es der heimische Fichtenkreuzschnabel. Er lebt erst im Winter richtig auf – für ihn beginnt die Brutzeit. Weil er sich auf Fichtenzapfen spezialisiert hat, gibt es für ihn genügend Nahrung.


Daunenjacke und "Schlaf-WG" halten warm
Auch gegen tiefe Temperaturen sind unsere Vögel gut gewappnet. Wenn sie sich aufplustern, wirken die Luftpolster zwischen ihren Federn wie eine natürliche Daunenjacke. Zaunkönige tun sogar noch mehr. Sobald es empfindlich kalt wird, gründen sie kurzerhand eine „Schlaf-WG“ mit einigen Artgenossen und kuscheln sich in Spechthöhlen oder Nistkästen eng zusammen.

Wasservögel fahren einfach ihre Temperatur runter
Und was machen Wasservögel, wenn es friert und sie wochenlang auf dem Eis herumlaufen müssen? Barfuß? Sie bekommen kalte Füße. Um den Wärmeverlust gering zu halten, sinkt die Temperatur ihrer Füße bis auf Null Grad ab. So können sie auch nicht auf dem Eis festfrieren.


Die Bürzeldrüse macht das Gefieder winterfest
An den Stuttgarter Seen lassen sich viele Wasservögel beobachten. Der Liebling von Michael Schmolz ist das Teichhuhn. „Teichhühner haben sich an das Stadtleben angepasst. Sie bauen ihre Nester in den Bäumen statt im Schilf. Viele Leute halten sie allerdings für Wasser- oder Blesshühner“, berichtet er. Gegen das eiskalte Nass sind alle Wasservögel gut gewappnet, dank ihrer Bürzeldrüse. Mit dem fettigen Sekret aus dieser Drüse machen sie ihr Gefieder wind- und wasserdicht – wie eine gute Gore-Tex-Jacke.

Beerensträucher helfen über den Winter
Bei so viel Anpassung stellt sich die Frage: Soll man Vögel im Winter überhaupt füttern? Experten antworten darauf mit einem klaren: Jein. „Der Natur ist damit nicht unbedingt geholfen“, meint Michael Schmolz. „Viel wichtiger wäre es, den Lebensraum der Vögel zu erhalten und beerentragende Sträucher zu pflanzen.“ Gartenbesitzer sollten Eberesche, Holunder, Hagebutte oder Weißdorn deshalb erst gegen Ende des Winters zurückschneiden.

Erst bei Schnee füttern
Dennoch ist auch der Vogelexperte nicht ganz gegen das Füttern. „Gerade für Kinder oder ältere Menschen kann es eine schöne Sache sein.“ Nur sollte die Fütterei nicht überhand nehmen. Deshalb gilt die einfache Regel: Erst füttern, wenn Schnee liegt oder die Temperaturen unter Null Grad sinken. Denn dann verbrauchen Wildvögel viel Energie, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. In einer eiskalten Nacht können Meisen bis zu zehn Prozent ihres Gewichts verlieren.


Jeder Vogel hat seine Vorlieben
Meisen zählen zu den Allesfressern, andere Vögel sind dagegen wählerischer. Rotkehlchen, Heckenbraunelle, Zaunkönig, Amsel und Star sind sogenannte Weichfutterfresser. Sie verputzen Haferflocken, Mohn, Kleie, Rosinen oder Obst. Anders Finken oder Sperlinge – als Körnerfresser bevorzugen sie Sonnenblumenkerne, Hanf, Mohn oder gehackte Nüsse. Gewürzte oder gesalzene Speisen bekommen den kleinen Piepmätzen allerdings nicht, genauso wenig wie Brot. Es kann im Magen aufquellen und „Bauchschmerzen“ verursachen.

Lieber auf Vogelhäuschen verzichten
Und von noch etwas sollten Vogelfreunde Abschied nehmen – von den beliebten Vogelhäuschen. „Sie sind sehr unhygienisch, weil die Vögel dort in das Futter koten und sich Krankheiten so schnell verbreiten können. Besser sind Futterglocken oder Silos“, erklärt Michael Schmolz. Schwäne, Enten oder Blesshühner müssen dagegen alleine klar kommen. Denn im gesamten Stadtgebiet ist das Füttern von Wasservögeln verboten.

Gute Beobachtungsmöglichkeiten
Dafür lassen sie sich im Vogelparadies Max-Eyth-See oder an den Bärenseen gut beobachten. Auch in Stuttgarts Parkanlagen oder auf manchen Äckern gibt es im Winter viel zu sehen. Wer genau wissen will, welche Vögel er vor sich hat, kann sich auf Exkursion mit dem Nabu Stuttgart
begeben und vielen spannenden Vogelgeschichten lauschen. (CH)

Weitere Informationen:

27.12.2008

(Ausgabe Januar 2009)